Meine Schatzkästchen
Schatzkästchen braucht man, wenn Essbares, das man nicht sofort vertilgen will, weil man erstens absolut keinen Hunger mehr hat oder zweitens den Dingen einen so hohen Wert einräumt, dass sie einfach sicher versteckt werden müssen, damit a. kein anderer Hund und b. kein zweibeiniger Ordnungsfreak einem den Schatz einfach wegnimmt.
Mein Herrchen ist begeistert von meiner Erinnerungsfähigkeit: Ich stehle einem Hofhund einen Knochen, trage ihn nachdenklich einige Zeit über den Hof, beschließe, ihn nicht wieder rauszurücken und suche nach einem geeigneten Versteck. Das ist in den seltensten Fällen der Misthaufen, weil diese wunderbaren Verstecke viel zu früh abgeräumt werden, das ist schade, aber nicht zu ändern. Entweder kennt man die Abräumintervalle genau, oder man geht auf Nummer sicher und sucht sich ein dauerhaftes Versteck. Das ist manchmal im angrenzenden Wald oder in einem ungepflegten Garten, der Reitplatz ist ideal zum Verbuddeln geeignet, im Winter bietet sich aber auch eine Reithalle als Aufbewarungsort von wertvollen Fundstücken an. Ich bin da wie ein Kriminalist: noch nach Monaten betrete ich einen Ort, schnüffle, grabe und finde einen Schatz. Das sind die wahren Highlights eines Sachsuchers...
Donnerstag, der 07. April 2016
Frauchen hat Knochen verteilt, so geräucherte mit Sehnen, getrocknetem Fleisch, Gelenken und ähnlichen Anhängseln, eine interessante Abwechslung im Futter- und Leckerchenmenü.
Das Kleintier (meine Tochter Amirai) bekam den kleineren und legte gleich los mit dem Zerlegen des guten Stücks unter dem Esstisch, eigentlich mein Platz für Leckercheneinverleib.
Vielleicht fehlte mir auch gerade diese jugendliche Gier, ich griff mir den Knochen und schleppte ihn auf der Suche nach einem ungestörten Essplätzchen hin und her über den Hof.
Schließlich lagerte ich ihn an einem nicht ganz so geeigneten Ort zwischen und musste mir von Frauchen anhören, dass sie nicht 4,99 € ausgibt, damit ich das gute Teil gleich wieder vergrabe und sie es in einem halben Jahr oder mehr gammelig und stinkend auf ihrem Kopfkissen wiederfindet.
Sie ließ nicht locker, fand den Knochen auch in meinem Zwischenlager und packte es wieder in die Tüte, die in unserem Hundeschrank verschwand.
So weit so schlecht.
Heute stand ich dann vor diesem Schrank, nölte ein bisschen rum und Frauchens Nerven lagen wohl reichlich blank, denn sie steckte jeder von uns umgehend den jeweiligen uns eigenen Knochen ins Maul, auf das wir ihn und es halten sollten, den Knochen und das Maul.
Das Kleintier verschwand wieder unter dem Tisch, legte sich auf meinen Platz und nagte wie ein Biber an dem schon ziemlich nackten Bein.
Ich dagegen zog wieder mit dem noch jungfräulichen Schatz über den Hof auf der Suche nach dem ultimativen Versteck. Meine Augen leuchteten auf, ja, ich hatte es gefunden.
Mit einem riesen Satz sprang ich in die oberste Kurve der Kräuterspirale, die Frauchen am letzten Sonntag umgegraben und mit viel grünem Blattwerk frisch bestückt hatte, entfernte Salbei, Dill und Kugelthymian (so stand es zumindest auf dem Schild) und deckte meinen wertvollen noch unangefressenen Knochen gründlich mit Erde zu. Mit Salbeizweiglein deckte ich das frische Grab zu und während ich noch die Stängel und pelzigen Blätter vom Ballen trennte, trat Frauchen aus der Küchentür auf die Terasse und schrie: "Du Satansbraten, bist Du denn von allen guten Geistern verlassen, was zum Teufel machst Du da mit dem Salbei?" Heilige Einfalt, muss diese Frau wirklich so doofe Fragen stellen, dachte ich mir und im gleichen Moment entfuhr auch ihrem Hirn ein Gestesblitz, sie griff in den noch lockeren Boden und schnappte sich meinen heiß geliebten Knochen.
Ich muss wohl schon einen ausgesprochen vorwurfsvollen Blick in ihre Richtung abgefeuert haben, denn sie gab mir mein Eigentum zurück. Ich zog ab in Richtung Pferdeboxen, aber keine von ihnen war unbewohnt und eine Box mit vierhufigem Bewohner ist auch wirklich kein idealer Hideaway.
So legte ich mich mitten auf den Hof und beschloss, mir endlich Zeit für das Geschenk zu nehmen.
Frauchen war mal wieder auf der Jagd nach guten Bildern, kam mit dem unvermeidlichen Fotoapparat auf mich zu, das neugierige Kleintier im Schlepptau. Ich knurrte laut, Frauchen dachte, mein Groll gelte ihr und verbat sich einen solchen Ton, da schoss ich aber schon auf meine Tochter zu und wir beide lieferten uns einen leidenschaftlichen Fight, wie schon häufiger, wenn sich außergewöhnliches Essen nur einen von uns aussucht.
Frauchen ging todesmutig dazwischen und da ich das Maul schon voll von töchterlichem Fell hatte, war da kaum noch Platz für einen Knochen. Den schleppte Frauchen ab in die Küche mit der üblen Drohung, solche Leckerbissen gäbe es so schnell nicht wieder auf dem Kastanienhof.
Wer keine Tischmanieren habe, könne eben nicht in einem Sternerestaurant dinieren und das hätten wir zwei Snauzels gerade wieder bewiesen.
Wir zogen ab, Seite an Seite und trollten uns. Jeder verzog sich in sein Körbchen und wir warteten ab, ob die Dunstabzugshaube, die in der Küche über den kochenden Kartoffeln lief, in der Lage sein würde, die dicke Luft aus unserem Haus zu entfernen.